Auf den ersten Blick erscheint Ergotherapie ziemlich nah an Ergonomie - immerhin fängt beides mit “Ergo” an. Aber was ist Ergotherapie eigentlich wirklich, wo ist der Unterschied zu Physiotherapie und was bringt es dir?
Definition Ergotherapie
Wenn man nach Ergotherapie sucht, dann gibt Wikipedia folgende Definition aus:
„Die Ergotherapie ist eine Therapieform, die sich mit der Ausführung konkreter Betätigungen und deren Auswirkungen auf den Menschen und dessen Umwelt befasst. Beeinträchtigungen werden durch den gezielten Einsatz individuell sinnvoller Arbeit behandelt. Dabei nehmen die persönliche und sozio-kulturelle Bedeutung der Tätigkeit, deren Auswirkungen auf die Gesundheit und deren Wechselwirkungen mit der Umwelt einen hohen Stellenwert ein.“
Hat man jetzt gelesen, aber wirklich schlauer ist man trotzdem nicht. Das Wort Ergotherapie kommt dabei von dem altgriechischen Ausdruck “érgon”, der mit Werk oder Arbeit übersetzt werden kann, und dem Begriff Therapie, dessen Ursprungswort etwa Dienst oder Behandlung meint.
Dem DVE, also dem Deutschen Verband für Ergotherapie, nach wird Ergonomie genutzt, um Menschen jeden Alters zu begleiten und zu unterstützen, die entweder bereits in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind oder eingeschränkt werden könnten. Ziel ist es Aufgaben wie die Selbstversorgung, Freizeit oder Produktivität zu stärken und diese selbstständig möglich zu machen. Das schafft eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität, da ihre Handlungsfähigkeit und ihre Teilhabe in der Gesellschaft verbessert wird.
An sich können Ergotherapeuten also als Spezialisten für den Alltag beschrieben werden, denn sie helfen Menschen selbstständiger wichtige Aufgaben des Lebens zu übernehmen. Dabei geht der Therapeut ganz spezifisch auf die Schwierigkeiten des Klienten ein, sodass man sich die erste Sitzung fast wie eine Sitzung der Psychotherapie vorstellen kann. Da geht es noch nicht um konkrete Übungen, sondern erstmal darum, wo überhaupt die Probleme liegen und was bereits problemlos geht. Sonst kommt es ganz schnell dazu, dass man während der Ergotherapie an den völlig falschen Stellen ansetzt, die vielleicht schon gut laufen oder die für den Patienten keine Priorität darstellen.
Allerdings war die Ergotherapie nicht immer so, wie sie jetzt ist. Die Ergotherapeuten hießen zuerst Arbeitstherapeuten und später Arbeits- und Beschäftigungstherapeuten bevor sie ab dem 1. Januar 1999 zu den Ergotherapeuten wurden, die sie heute sind. Seitdem regelt auch das “Ergotherapeuten-Gesetz” (ErgThG) den Beruf. Arbeitstherapeuten waren damals vor allem in Kliniken aktiv um Patienten zu beschäftigen, die oft eher handwerkliche Aktivitäten unternahmen. Zu dieser Zeit wurden zum Beispiel im Krankenhaus Körbe geflechtet, um sich wieder an die handwerkliche Arbeit zu gewöhnen. Heutzutage umfasst die Ergotherapie nicht nur die Arbeit, sondern das allgemeine Umfeld des Menschen und es wird auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Ergotherapiewissenschaft gearbeitet, darunter standardisierte Tests und Assessments. So kommt es, dass der Ergotherapeut heute auf Augenhöhe mit den Ärzten liegt. Die Techniken des Handwerks werden nur noch geübt, wenn sie relevant für den einzelnen Klienten sind. Auch die Therapieformen des Ergotherapeuten sind in der “Heilmittelrichtlinie” und dem “Heilmittelkatalog” festgehalten, welche so umfassend erst Anfang 2021 in Kraft getreten ist.
Der Unterschied zwischen Ergotherapie und Physiotherapie
Bei der Physiotherapie werden Beschwerden am Körper des Patienten behandelt, so zum Beispiel die Mobilität nach einem Unfall oder die Stärkung der Muskeln, um die Gelenke zu unterstützen. Während das zum Teil ebenfalls bei der Ergotherapie passiert, geht diese zusätzlich in den Alltag des Klienten hinein und guckt dort, was getan werden kann.
Bin ich ein Klient oder ein Patient?
Bei der Ergotherapie heißt man mittlerweile nicht mehr Patient, sondern Klient, wenn man Kunde dort ist. Das ist ein scheinbar kleiner Unterschied, der aber eine große Auswirkung in der Bedeutung hat. Der Unterschied liegt darin, dass Patienten sich meistens behandeln lassen, also eher passiv sind und auf die Handlungen der anderen vertrauen. Meistens bekommt er einen Ablaufplan für die Behandlung, die er dann möglichst einhalten soll. Wenn man ein Klient ist, dann ist man dahingegen aktiv und kann in Eigenverantwortung mitbestimmen, was genau in der Ergotherapie thematisiert wird. Das kann sehr allgemein sein, wie zum Beispiel wieder laufen zu können, allerdings kann man auch auf ein ganz spezifisches Ziel zuarbeiten, wie zum Beispiel wenn der Großvater nach einem Schlaganfall wieder selbstständig mit dem Zug zu seinen Enkelkindern fahren will. Je nachdem, was das Ziel des Klienten ist, erarbeitet er zusammen mit dem Ergotherapeuten einen Plan, den sie dann zusammen in kleinen Schritten ausüben. Im Zusammenhang mit dem spezifischen Beispiel heißt das, dass das Anziehen, das Kaufen von Karten, der Ein- und Ausstieg aus dem Zug und auch die Fahrt mit dem Zug geübt werden muss. Wenn dieses Ziel erreicht ist, dann kann entweder ein weiteres Ziel geübt werden, wenn der Klient weitere Ziele äußert, oder die Therapie kann abgeschlossen werden.
Insgesamt kann dieser Ansatz als eine “Klientenzentrierung” zusammengefasst werden.
Die Verbindung zur Ergonomie
Auch in der Ergonomie geht es um den Umgang mit dem Umfeld. Das Umfeld soll in diesem Zusammenhang, beispielsweise wenn man im Büro ergonomische Stühle nutzt, allerdings eher an den Menschen angepasst werden als dass man den Menschen darauf trainiert, sich an ungemütliche Stühle zu gewöhnen - das wäre unnötig gesundheitsschädlich. In der Ergotherapie geht es darum, den Menschen wieder an die Aktivitäten zu gewöhnen, die unvermeidbar sind oder ohne die man die Lebensqualität maßgeblich einschränken kann. Ein Bürostuhl ist zum Beispiel verhältnismäßig deutlich einfacher auszutauschen als es die Stühle im öffentlichen Nahverkehr sind. Außerdem ist die Ergonomie eher präventiver, während die Ergotherapie meistens nach einer Verletzung oder einem Unfall ansetzt und an dieser Stelle der Person hilft, sich wieder mehr in den Alltag eingliedern zu können.