Es ist absolut normal, einen Favoriten zu haben. Ziemlich jeder hat ein Lieblingslied, ein Lieblingsbuch, einen Lieblingsort zum Entspannen, einen Lieblingsmenschen. Die Liste geht endlos weiter. So gibt es natürlich auch Lieblingskollegen und auch die Vorgesetzten haben ihre Favoriten. Doch anders verhält es sich jedoch, wenn es um das Praktizieren von Vetternwirtschaft am Arbeitsplatz geht. Es ist nicht nur schlecht für das Betriebsklima, sondern auch oft in einigen Fällen illegal.
Wir alle haben unsere Vorurteile basierend auf unserem Hintergrund, wie wir aufgewachsen sind, mit wem wir uns umgeben usw. Auch wenn wir unser Bestes geben, wir vorverurteilen nicht selten und unser Unterbewusstsein stereotypisiert automatisch Menschen und andere Dinge. Daher sind wir, ob wir es bemerken oder nicht, eher Menschen mit demselben Hintergrund oder denselben Interessen zugeneigt.
Wenn dies am Arbeitsplatz passiert, sollte eine Führungskraft sehr achtsam sein und alle Handlungen oder Verhaltensweisen ablehnen, die als Vetternwirtschaft angesehen werden könnten. Leider ist dies nicht das, was in der Praxis geschieht. Studien zeigen, dass Führungskräfte in den Unternehmen, in denen sie arbeiten, oft Bevorzugung betreiben. Die meisten Chefs haben einen Favoriten, den sie befördern können, noch bevor ein formelles Auswahlverfahren beginnt. Und genau dieser wird höchstwahrscheinlich die Position bekommen.
Zwar haben die meisten Unternehmen Richtlinien, um genau das zu verhindern, insbesondere während des Beförderungsprozesses, aber dennoch geschieht es in der Praxis immer wieder. Mehr als die Hälfte hat eine Vetternwirtschaft persönlich miterlebt, und einige geben sogar offen zu, dass sie sie praktizieren.
Bevorzugung am Arbeitsplatz
Es gibt viele Anzeichen, die auf Vetternwirtschaft am Arbeitsplatz hindeuten. So kannst du zum Beispiel bemerken, dass dein Chef viel Zeit damit aufwendet, sich mit bestimmten Mitarbeitern zu treffen, um über nicht arbeitsbezogene Themen zu sprechen. Sie verbringen auch mehr Zeit miteinander bei Dingen, die sich um die Tätigkeit drehen.
Wenn begünstigte Arbeitnehmer Fehler machen, lässt der Chef es durchgehen oder nutzt seine Autorität, um es zu vertuschen. Es gibt auch eine spezifische Open Door Policy nur für bestimmte Mitarbeiter und man merkt, dass sie im Vergleich zum Rest des Teams weniger, leichteres oder ihr gewünschtes Arbeitspensum bekommen.
Wenn gewisse Ressourcen begrenzt sind, weisen die Vorgesetzten die vorhandenen zuerst denjenigen zu, die sie bevorzugen. Oder in Krisenzeiten bietet der Chef nur seinen Lieblingsmitarbeitern Hilfe und Mentoring an und unterstützt sie langfristig bei ihrer Karriereentwicklung.
Diese Betriebsangehörige bekommen auch mehr Lob, für das andere Mitarbeiter nicht anerkannt werden. Sie erhalten zudem Empfehlungen für eine Beförderung oder eine Leistungsbewertung, die nicht mit dem übereinstimmen, was sie tatsächlich leisten.
Und wenn es um Feedback geht, erhalten diese Kollegen sehr viel mehr davon, was dazu beiträgt, dass sie ihre Arbeitsleistung im Vergleich zu anderen verbessern, welche bloß selten eine Rückmeldung bekommen oder aktiv darum bitten müssen.
Eine Bevorzugung findet auch dann statt, wenn die Vorschläge von nur wenigen bei der Entscheidungsfindung oder der Konzeption eines Projekts berücksichtigt werden. Wenn es im Büro zu Konflikten kommt, stellen sie sich automatisch auf die Seite eines Mitarbeiters, ohne vorher die Standpunkte aller gehört zu haben. Und einige relevante Informationen für die Arbeit werden nur an die Begünstigten weitergegeben.
Was kann man gegen Vetternwirtschaft tun?
Glücklicherweise gibt es Dinge, die Mitarbeiter gegen eine Bevorteilung am Arbeitsplatz unternehmen kann.
Das Erste, was zu machen ist, ist, die Situation so nüchtern wie möglich einzuschätzen. Nicht selten sind in solchen Fällen Emotionen im Spiel, also solltest du, bevor du etwas tust, zunächst mit einem rationalen Verstand betrachten, was passiert. Versuche, mit so viel Abstand wie möglich auf einen Moment zurückzublicken, in dem du glaubst, dass Bevorzugung im Spiel ist. Berücksichtige alle Möglichkeiten, warum dieser Mitarbeiter eine Vorzugsbehandlung erhalten hat. Stelle dir die Frage, ob sie eine Fähigkeit, eine Qualifikation oder eine Beziehung zu dem Chef haben, die dessen Entscheidungen beeinflussen? Du musst deine Bewertung unbedingt rational vornehmen, damit du ganz sichergehen kannst und weißt, was als Nächstes zu tun ist. Hier sind ein paar Vorschläge:
1. Ziehe einen Mediator hinzu
Eine Möglichkeit, die dir in dieser Gegebenheit helfen könnte, eine rationale Perspektive zu gewinnen, ist einen Mediator einzuschalten, welcher kein Teil dieser Situation ist. Zeige deine Sicht auf das, was passiert, auf und stelle klar, was du davon erwartest. Sei offen für die Meinung der neutralen Person und höre dir dessen Ratschläge an. Diese wertvollen Erkenntnisse werden dir dabei helfen, eine effektive Lösung für das Bevorzugungsproblem zu finden, das du durchmachst.
Nachdem du dir sicher sein kannst, dass es sich tatsächlich um Bevorteilung handelt, musst du dir über die weitere Vorgehensweise bewusst werden. Stehe dann selbstbewusst dafür ein, diese Kultur der Bevorzugung an deinem Arbeitsplatz zu bekämpfen. Liefere ausreichend starke Beweise für die Bevorteilung. Nimm dabei kein Blatt vor den Mund und sprechen Sie klar und direkt – bleibe jedoch stets rational und respektvoll.
2. Sorge für das Ende der Bevorzugung
Wenn du eine Führungskraft bist, musst du sehr schnell aktiv werden und die Vetternwirtschaft im Unternehmen bekämpfen. Setze hierfür alle notwendigen Ressourcen ein und lege klare Richtlinien fest, um diese Vorgehensweise zu beenden.
3. Hole die Meinung von anderen ein
Am besten befragst du andere Mitarbeiter nach deren Meinung und Erfahrungen. Und nicht nur das, sondern forsche dabei auch nach, wie sie denken, dass diese Vorgehensweise beendet werden könnte.
4. Ziehe einen externen Coach hinzu
Der Einsatz eines externen Coaches oder Mediators kann besonders nützlich sein, wenn die Emotionen hochgekocht sind oder sehr viel versteckte Bevorteilung stattfindet. Ein erfahrener Coach kennt sich mit Konstellationen wie diesen gut aus und kann dir somit einiges beibringen und mehr sehen als diejenigen, die sich in dieser Situation befinden – einschließlich dir selbst.
Der Coach wird in der Lage sein, deine Denkweise zu hinterfragen und dir für einen bestimmten Zeitraum aufschlussreiches Feedback zu geben. Dies wird dir helfen, keine Bevorzugung zu üben oder sich unbewusst diese Neigung zuzuneigen, einen gegenüber dem anderen zu bevorzugen.
Wie gesagt, Bevorzugung oder Vetternwirtschaft geschieht oft gänzlich unbewusst und ohne jeden bösen Hintergedanken. Sie ist absolut menschlich, aber ebenso fehl am Platze, wenn es um den professionellen Bereich geht. Dies führt lediglich zu Konflikten und einer schlechteren Zusammenarbeit in den Teams.