Viele von uns kennen im Unternehmen nach wie vor das Top-Down-Prinzip, bei dem einem von den Führungskräften erzählt wird, was man machen soll. Doch die Arbeitswelt ist immer mehr im Wandel - nicht nur was die Weiterentwicklung von ergonomischen Möbeln angeht, sondern auch bezüglich neuer Konzepte rund um das Thema Arbeit und Organisation von Unternehmen. Hier kommt das Prinzip des Servant Leadership ins Spiel, bei dem das konventionelle Prinzip eines Chefs ein bisschen auf den Kopf gestellt wird. Das Wort “Servant Leadership” besteht aus den Worten “dienend” und “Führung” und beschreibt so bereits ziemlich gut, was mit dem Prinzip gemeint ist: Die Führungsetage dient den Mitarbeitern, wird also eher zu einem Helfer oder Coach für die Arbeitnehmer als zu Personen, die einfach nur Aufgaben verteilen und rumkommandieren.
Was heißt Servant Leadership konkret?
Wenn man sich eine normale Führungspyramide vorstellt, dann gibt es unten die große Basis an Arbeitnehmern und dann, je weiter man in der Pyramide nach oben geht, immer höhere Positionen, die gleichzeitig immer mehr das Sagen haben und Aufgaben verteilen können. Bei dem Servant Leadership existiert diese Art von Pyramide nicht mehr, denn die Führungsetage arbeitet nicht mehr an der Spitze des Unternehmens, sondern unterstützt in der Basis. Das heißt, dass man als Führungsperson zwar grobe Richtungen vorgeben kann, man allerdings den Mitarbeitern auch den Raum gibt, selber Verantwortung zu übernehmen oder Ideen einzubringen und auch einmal eigene Ideen einbringen zu können, ohne dass man direkt zur Führungsetage laufen muss, um diese abnicken zu lassen.
Für den Vorgesetzten heißt das nicht, dass die Position an Status und somit vielleicht auch an Gehalt verliert. Der Arbeitsaufwand bleibt in etwa gleich, nur die Aufgaben der Führungsetage ändern sich. Die primäre Aufgabe ist dann nämlich, dass man für die Mitarbeiter den richtigen Rahmen zum Arbeiten schafft und ihnen hilft, ihr Potential auszuschöpfen oder zu erweitern.
Das heißt sogar, dass für den Servant Leader mehr Kompetenzen benötigt werden. Während bei der normalen Führungsposition vor allem die Aufgabenverteilung und der generelle Überblick über die To-Dos und die Finanzen des Unternehmens im Vordergrund steht, sind bei dieser Position vor allem auch Menschenkenntnisse und ein charismatisches Auftreten nötig, um sich etablieren zu können. Als Servant Leader stellt man eine Art Bezugsperson dar, die die Mitarbeiter nur schwer als solche wahrnehmen, wenn diese Person ihnen unsympathisch ist. Zudem braucht es Mut zur Veränderung, denn wenn man auch auf Ideen der Mitarbeiter eingehen will, kann man zwangsweise nicht alles so beibehalten, wie man es selber gerne hätte oder wie es gerade etabliert ist. Stattdessen sind Kompromisse im Unternehmen nötig, die alle glücklich machen sollen. Dazu gehört auch das Vertrauen in die Mitarbeiter, denn ansonsten fällt es den Führungspersonen schwer, Restriktionen fallen zu lassen und den Arbeitnehmern mehr eigenverantwortliches Handeln zu ermöglichen.
Dann ist es natürlich wichtig, die Eigenverantwortung und auch die Individualität der Arbeitnehmer zu unterstützen. Besonders, wenn man erst zuletzt den Wechsel von einer konventionellen Top-Down-Strategie zu diesem offeneren Prinzip vollzogen hat, wissen viele Mitarbeiter nicht, wie weit sie gehen dürfen und wie viel Eigeninitiative sie einbringen dürfen und halten sich so zurück. Dann ist es wichtig, die Arbeitnehmer zu ermutigen und ihnen zu zeigen, was alles möglich ist, indem man zum Beispiel einen Raum oder eine Zeit für freies Brainstorming einrichtet. Auch wenn man sieht, dass das Potential einzelner Personen noch erweiterbar ist, kann man mit Hilfe gezielter Unterstützung helfen, das Potential zu entfalten.
Dazu zählen nicht nur neue Ideen, sondern auch eine gesunde Feedbackkultur sollte etabliert sein, um sowohl als Coach den Arbeitnehmern Feedback geben zu können, aber um auch den Mitarbeitern zu ermöglichen, konstruktiv die Vorgesetzten oder Strukturen im Unternehmen kritisieren zu können. Damit geht vor allem einher, dass man als Servant Leader gut aktiv zuhören kann und dass man Kontakte im und außerhalb vom Unternehmen knüpft, um den Mitarbeitern gut weiterhelfen zu können. Idealerweise achtet man beim Handeln immer auf die Weitsicht, denn als guter Servant Leader handelt man nicht nur reaktiv, wenn die Probleme bereits aufgetaucht sind, sondern vor allem auch proaktiv und versucht durchgehend, das Unternehmen, die Kommunikation oder andere Aspekte der Arbeit zu verbessern.
Zuletzt braucht es eine offene Fehlerkultur, wenn man die Hierarchie im Unternehmen verringern will. Die Mitarbeiter sollen sich trauen, eigene Erfahrungen zu machen und dafür ist es nötig, dass man ihnen auch den Raum gibt, Fehler zu machen, und dass man ihnen zeigt, dass Fehler nicht schlimm sind. Als Vorgesetzter fängt man damit am besten als erstes bei sich an und fänge an, vor den Arbeitnehmern auch die eigenen Fehler einzugestehen. Fehler sind ganz natürlich und bieten ein Potential zum Lernen, das nicht übersehen werden sollte. Deswegen ist es wichtig, Fehler und den Umgang mit ihnen nicht zu tabuisieren, sondern stattdessen als Ansprechperson zu wirken, um Fehler wieder auszubügeln und den Lerneffekt aus den Fehlern zu maximieren, falls der Mitarbeiter das Gefühl hat, dabei Hilfe zu brauchen.
Warum sollte mein Unternehmen Servant Leadership nutzen?
Diese Frage stellst du dir nun vielleicht, denn Servant Leader zu sein ist deutlich anstrengender als ein normaler Vorgesetzter oben in der Betriebshierarchie zu sein. Allerdings zahlt sich dieser höhere Anspruch auch aus, denn in vielen Fällen bringt er die Mitgliederzufriedenheit deutlich nach oben. Diese sind wiederum produktiver und gehen lieber zur Arbeit, als wenn sie nur ein stumpfes Glied in einer Maschine wären. Das kommt natürlich auch den Finanzen des Unternehmens zu Gute, denn diese verbessern sich so auf Dauer.
Vor allem junge Arbeitnehmer werden von diesem Konzept angesprochen, weil bei ihnen der Fokus auf ein riesiges Gehalt und eine Position, die möglichst weit oben auf der Karriereleiter ist, nicht mehr so hoch ist. Stattdessen wird viel mehr nach Tätigkeiten Ausschau gehalten, die einen Sinn stiften, und mit mehr Freiheiten für alle Arbeitnehmern kann dieses Ziel bereits in der Basis des Unternehmens erreicht werden.